Hatte ich nicht neulich geschrieben, wie kostbar und gleichzeitig zerbrechlich Glück und Zufriedenheit sind? Das hat sich gestern bewahrheitet. Auf diese Bestätigung hätte ich allerdings nur zu gern verzichtet.
Eine Volontärin ist vorgestern Nacht vor dem Haus ihrer Gastfamilie von drei Männern ausgeraubt worden. Die Räuber hielten ihr dabei eine Machete an den Kopf. Dann verschafften sie sich Zugang zum Grundstück und schlugen zu dritt brutal auf den Wachmann ein. Erst der Gastvater der Volontärin beendete den Spuk, als er mit einer Pistole in die Luft schoss. Abgesehen davon, dass ich jene Volontärin sehr mag, mit ihr Fußball spiele, wir uns schon vor ihrer Anreise gemailt haben und sie mir den “Lonely Planet” mitbrachte – es ist schlimm zu erahnen, welche Todesangst sie in diesen Minuten hatte und was das Erlebte für ihre knapp zwei Monate bedeutet, die sie noch hier ist. Angesichts dieses Überfalls tue ich mir etwas schwer damit, die letzten Tage meines liebgewonnenen Alltags zu genießen.
Heute schlafe ich zum letzten Mal bei meinen Gasteltern. Gestern Abend habe ich sie ins – für meinen und auch ihren Geschmack – beste Restaurant der Stadt eingeladen und es war ein wirklich sehr schöner Abend. Zumindest, nachdem wir den “Vorfall” mit der Volontärin ausdiskutiert hatten. Denn deren Gastvater ist der Bruder meines Gastvaters.
Witziger ist da schon, dass sich meine Gastmutter heute selbstständig gemacht hat – als Hühnerzüchterin! Davon redete (träumte?) sie schon am Tag meiner Ankunft. Jetzt haben wir 400 niedliche Broiler-Küken im Stall im Garten. Als Gründungszuschuss konnte ich immerhin eine frische, besonders leckere Ananas anbieten, die ich uns aus der Stadt mitgebracht hatte.
Außerdem habe ich morgen meinen letzten regulären Tag bei NAFGEM. Ich begleite eine Misereor-Jugendgruppe aus Hannover ins Maasai-Gebiet, wo wir zwei Vorträge vorbereitet haben. Für morgen Abend steht “Champions League im Malindi Club” mit mir als Verantwortlichem auf dem Misereor-Programm. Die Teilnahme ist für die Jugendlichen freiwillig. Mal sehen, ob sie durchschauen, dass das ein feuchtfröhlicher Abend werden kann. Also, ich hätte mir sowas früher nicht entgehen lassen. Aber ich war ja auch nicht in einem christlichen Hilfswerk engagiert.
Apropos christlich. Christlich war es von mir, am Sonntag im YMCA-Freibad einem Ugandaer das Schwimmen beizubringen. Unchristlich war dagegen, einen etwa 14-jährigen Jungen zu packen und ins Wasser zu schmeißen. Er konnte nicht schwimmen, ja, hatte sogar panische Angst vorm Wasser (was ich beides nicht wusste). Der Junge ist also untergegangen und ich musste hinterher springen, um ihn hoch- und rauszuziehen. Verständlicherweise war er alles andere als angetan von dieser Aktion, zumal wir uns nicht im geringsten kannten. Ich weiß nicht, welcher Teufel mich da geritten hat. Gemeint war es jedenfalls lustig. Eine Cola hat die größte Wut bei ihm etwas abgekühlt. Vielleicht sollte ich auch ein Hilfswerk gründen: “Aktion Unmensch”.
Bevor das jemand für bare Münze nimmt und die ersten Bestellungen für Jahreslose der Aktion Unmensch bei mir eingehen, zum Schluss noch ein versöhnlicher Gedanke. Eigentlich wollte ich nach dem Überfall auf die Volontärin mein Engagement hier einstellen und nur noch das Nötigste tun. Eine großzügige Geldspende aus Deutschland hat mich davon abgebracht. Sie ist gleichermaßen Verpflichtung und Motivation, auf der Zielgeraden noch etwas Tolles für die Zukunft “meiner” Tuleeni-Kinder zu leisten.
